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Die Kartoffel

„Die gewöhnliche Nahrung für Menschen und Vieh ist der Erdäpfelbau, der statt des Getreidbaues zwey Drittheile des angebauten Erdreichs bedeckt.“, so beschreibt 1809 Joseph von Destouches in seiner „Statistischen Darstellung der Oberpfalz …“ die Landwirtschaft um Neunburg und Oberviechtach. Für eine Pflanze, die vor 500 Jahren in Europa völlig unbekannt war, eine bemerkenswerte Erfolgsstory – und dies besonders auch bei uns in der Oberpfalz!

Von den Spaniern entdeckt

Die Kartoffel (botanisch Solanum tuberosum) gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Im Gegensatz zu den Früchten verwandter Arten, wie Tomate oder Paprika, ist es bei der Kartoffel die Knolle, die zu einem der wertvollsten Grundnahrungsmittel in Europa wurde.

Die Spanier lernten die Kartoffel in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von den Inkas in Südamerika kennen. Etwa 1570 gelangte die Kartoffel über die Kanarischen Inseln, wo sie erstmalig vermehrt wurde, nach Spanien. Nur langsam begann sie auch in weiteren europäischen Ländern Fuß zu fassen. Zunächst wurden Kartoffeln häufig als botanische Raritäten in Ziergärten angepflanzt. Hier sorgte nicht zuletzt die schöne Blüte für eine wachsende Popularität. Fälschlicherweise wurden jedoch oft die oberirdischen Kartoffelbeeren verzehrt, was Vergiftungserscheinungen zur Folge hatte. So musste die Kartoffel lange mit einem schlechten Image kämpfen.

Vom Blumentopf aufs Feld

Der erste feldmäßige Kartoffelanbau in Bayern soll am Ende des 30jährigen Krieges um 1647 im oberfränkischen Pilgramsreuth bei Rehau begonnen haben. Der Bauer Hans Rogler hatte die Kartoffel als Nahrungsmittel bei Verwandten in Roßbach (= Hranice im heutigen Tschechien) kennengelernt, wohin ein holländischer Soldat einige Knollen mitgebracht haben soll. Von Oberfranken aus verbreitete sich die Kartoffel langsam in die Oberpfalz. Einen großen Aufschwung nahm der Kartoffelanbau ab etwa 1716 durch den Amberger Stadtpfarrer und späteren Dekan Johann Heinrich Werner, der Kartoffeln als Nahrungsmittel für die Armen austeilte und über deren Anbau schulte. Man pflanzte die Kartoffeln aber damals noch in Blumentöpfe vor dem Fenster. Der Amberger Regierungskanzler von Pistorini baute um das Jahr 1725 einige Kartoffeln, die er aus den Niederlanden erhalten hatte, in seinem Hausgarten an. Aufgrund seiner reichen Ernte und entsprechender Verordnungen stieg das Interesse an der Kartoffel als Nahrung für Tier und Mensch. Darüber hinaus ließen einige Hungersnöte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Wert der Kartoffel für die menschliche Ernährung erkennen.

In aller Munde

Die Kartoffel war im 19. Jahrhundert zum wichtigsten Nahrungsmittel der Oberpfälzer geworden. 1863 schreibt Joseph Heyberger in seiner „Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern“: „Kartoffeln werden in namhafter Ausdehnung in nahezu allen Gegenden der Oberpfalz gebaut. Trägt ja der Regierungsbezirk von dem ausgedehnten Anbau dieser Frucht den Namen des Kartoffellandes.“ Fast sprichwörtlich ist die Bezeichnung „Erdäpflpfalz“ für die Oberpfalz. Und das „Oberpfälzische Zeitblatt“ beschreibt 1841 die Kartoffelfelder als „oberpfälzische Weinberge“.

„Erdäpfl in da Fräih, …“

Mitte des 19. Jahrhunderts mussten im Königreich Bayern in allen Landgerichtsbezirken sogenannte „Physikatsberichte“ angefertigt werden. Darin wurden von den Amtsärzten die natürlichen Faktoren der Umwelt, die auf die Gesundheit des Menschen einwirken, ebenso wie die soziale Umwelt und die Lebensweise des Menschen, die auf sein Wohlbefinden Einfluss haben, beschrieben. Für das Landgericht Neunburg vorm Wald stellte 1860 der damalige Amtsarzt Dr. Karl Schefstoß die Situation der Neunburger folgendermaßen dar: „Die Nahrung der Bezirksbewohner wird namentlich auf dem Lande vorherrschend aus dem Pflanzenreiche genommen, und in hinreichender Menge genossen. Arme Leute leben vorzugsweise von Kartoffeln, Sauerkraut, Brod und Milch. Die Landleute genießen hiezu in der Regel noch sparsam geschmolzene Mehlspeisen. Die Morgensuppe ist gewöhnlich eine Wassersuppe, eine Kartoffelsuppe oder eine Suppe von süßer oder saurer Milch mit eingeschnittenem Brode. Mittags kommen abwechselnd mit Kartoffeln und Kraut entweder Brod, Mehl- oder Kartoffelklöße oder in etwas Schmalz oder saurer Butter gebackene größere oder kleinere fingerförmige Nudeln, Semmelschnitten oder auch ein Brei aus Mehl und Eiern, Gries, Hirse oder Gerste in Milch gekocht, und Abends meistens wieder Kartoffeln blos gesotten oder geschmolzen, hin und wieder auch Suppe oder im Sommer Salat.“ Kein Wunder also, wenn sich der folgende, weithin bekannte Spruch entwickelte: „Erdäpfl in da Fräih, zum Middoch in da Bräih, af d`Nocht in de Hait – Erdäpfl in alle Ewichkeit!“

Zum Genießen

War die Kartoffel lange Zeit „nur“ Nahrungsmittel, wird sie vor allem nach dem 2. Weltkrieg auch in Deutschland „geknabbert“. Wichtig für Neunburg vorm Wald wurde dabei im Jahr 1968 die Eröffnung einer Kartoffelchipsfabrik. Im näheren und weiteren Umfeld von Neunburg gibt es deswegen immer noch relativ viele Kartoffelfelder, obgleich der Kartoffelanbau heutzutage aus vielen Regionen auch in der Oberpfalz fast ganz verschwunden ist.

 

Literatur und Quellen

Destouches, Joseph von: Statistische Beschreibung der Oberpfalz vor und nach der neusten Organisation nebst einem chronologischen Überblick der oberpfälzischen Geschichte und der statistischen Beschreibung der Stadt Amberg. Sulzbach 1809.

Heyberger, Joseph: Bavaria Landes-und Volkskunde des Königreichs Bayern. München 1863.

Oberpfälzisches Zeitblatt. Mittheilungen zur Geschichte und Beschreibung der Oberpfalz. Nr. 65. Amberg 1841.

Sailer, Manfred: Der Physikatsbericht des Dr. Karl Schefstoß über das Landgericht Neunburg vorm Wald. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 151 (2011), S. 383-458.

Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch, München 1872.

Internetseiten (abgerufen jeweils am 09.08.2016):

  www.heimat-now.de

  www.historisches-franken.de

  www.kreis-as.de

  www.wikipedia.org

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